In einer Trilogie möchte ich über den abenteuerlichsten Abschnitt meiner Lateinamerika Reise schreiben. Was ich in den nächsten Wochen erleben sollte würde für immer unvergessen bleiben. In diesem ersten Teil der Trilogie berichte ich über meine Anreise in den ecuadorianischen Dschungel, wo ich dem Schamanen „Isidru Lucitante“ begegnen sollte.
Ab in den Dschungel
Nach meinem 2-wöchigen Aufenthalt in der Hauptstadt Quito bei Carlos und dessen lieben Eltern ging es auf meiner Lateinamerika Tour weiter. Doch weil man im Dschungel mit dem Motorrad nicht sonderlich weit kommt, durfte ich meinen Hobel freundlicherweise in Carlos Garage zwischenparken. Carlos und Tatiana fuhren mich am frühen Abend zum Busbahnhof „San Rafael“. Ich verabschiedete mich von Beiden und wartete noch eine Weile auf den Bus.
Mittlerweile hatte ich mich bereits daran gewöhnt, dass Busse in Südamerika selten pünktlich abfahren. Als der Bus aber dann doch noch kam, fuhr ich zunächst 8 Stunden in nordöstlicher Richtung zur Stadt „Lago Agrio“. Um 4 Uhr in der Früh kam ich am Busbahnhof an.
Beim Aussteigen aus dem Bus breitete sich in mir zunächst aus irgendeinem Grund ein mulmiges Gefühl aus. Ok, zugegebenermaßen war es schon ein wenig irritierend um diese Uhrzeit an einem gottverlassenen Busbahnhof mitten im Nirgendwo zu stehen. Für eine Weile fühlte ich mich seltsam klein und verlassen, aber nach einer kurzen Zeit des Sammelns und der Orientierung packte ich meinen Rucksack und machte mich auf zur Hostelsuche.
Ich wurde schließlich fündig und buchte mir ein Zimmer in eine Art Motel. Gut, die Auswahl an halbwegs erträglichen Unterkünften war in Lago Agrio wirklich überschaubar. Aber das waren wohl die Gedanken eines „verwöhnten“ deutschen Touristen. Obwohl, wirklich verwöhnt war ich zu diesem Zeitpunkt meiner Reise nicht mehr und ich hatte gelernt, dass es immer noch schlimmer kommen konnte.
Das Motel lag unmittelbar an der Hauptstraße und lautstärketechnisch fühlte es sich tags und nachts wie auf einer Bundesautobahn an. Aber schließlich arrangierte ich mich mit meiner beschaulichen Unterkunft auf Zeit. Ohnehin war der Grund meiner Anreise nach Lago Agrio viel bedeutsamer.
Am nächsten Tag traf ich mich mit Wilmer, dem Sohn meines Schamanen, im Zentrum der kleinen Dschungelstadt vor einer Kirche. Die Art und Weise, wie ich über sieben Ecken und Kanten hier gelandet war, um mich mit Wilmer zu treffen, war schon ganz schön verrückt. Aber es war ein Teil einer „Mission“, auf der ich unterwegs war.
Bereits in Costa Rica hatte mir Dunia den Kontakt zu der mit ihr befreundeten Kolumbianerin Mar vermittelt. Über Mar und ihren guten Freund Lorenzo konnte ich schließlich Wilmer kennen lernen. Auf Reisen ist es so, dass die Dinge manchmal einfach geschehen, wenn man sie läßt und wenn man bereit ist seine Komfortzone zu verlassen, um sich in unbekanntes Terrain treiben zu lassen. Nicht umsonst heißt es ja „Go with the Flow“. Und diesen Flow hatte ich inszwischen erreicht, da war ich mir sicher.
Zurück zum Thema. Bevor ich mich weiter in den Dschungel zu Wilmers Vater aufmachte, verbrachte ich mit Wilmer noch etwas Zeit und begleitete ihn in die Siona Gemeinde „San Pablo“. Neben den zwei Stämmen der Cofan und Secoya gehören die Siona zum dritten indigenen Stamm im Gebiet Sucumbios, auf dem ich mich gerade befand.
In der kleinen Regenwald Gemeinde fand ein Treffen zwischen Wissenschaftlern, Schamanen und einigen Mitgliedern der Gemeinde statt. In der Diskussion ging es um die sagenumwobene Ayahuasca Medizin („la medicina“) sowie die künftige kulturelle Entwicklung der Stämme. Außerdem wurde über die Positionierung gegenüber den großen Ölkonzernen diskutiert, deren Rohrleitungen das indigene Land durchziehen und deren Pipelines das Grundwasser verseuchen und somit die Lebensgrundlage der Indios zerstören.
Die Diskussion war sehr interessant und mir wurde das erste Mal in meinem Leben so richtig klar, wie ignorant und ausbeuterisch der Westen gegenüber den Dritte-Welt-Ländern agiert. Die Diskussion ging unter die Haut und ich war dankbar dafür, an ihr teilnehmen zu dürfen. Ich denke es ist wichtig solche Erfahrungen zu machen, denn es eröffnet einen Blick auf das große Ganze und darauf, wie die Dinge zusammenhängen.
Am nächsten Tag konnte ich mit Wilmers Bruder Alex endlich tiefer in den Regenwald fahren. Zunächst fuhren wir mit dem Unimog eine Weile über Schotterpisten. Als wir unser Ziel erreicht hatten und es mit dem Fahrzeug nicht mehr weiter ging, war es bereits dunkel geworden. Und nun wurde es so richtig abenteuerlich.
Nach einigen Metern Fußmarsch durch den Regenwald kamen wir an einen Nebenarm des „Rio San Miguel“. Von hier aus ging es nur noch mit dem Kanu weiter. Am Ufer wartete bereits ein Freund von Alex auf uns. Beim Aufsteigen auf das Kanu konnte ich meine Hand vor Augen kaum erkennen und ich wäre um ein Haar im Fluss gelandet. In der Zwischenzeit war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich diesen Moment tatsächlich erlebte oder ob ich nur träumen würde. Vielleicht hatte mir ja bereits jemand die Ayahuasca Medizin untergejubelt 😉
Das Gefühl bei dunkler Nacht über den Rio San Miguel zu fahren und nur das rauschende Wasser und die Tiere des Dschungels zu hören war unbeschreiblich. Das pure Abenteuer, dachte ich mir. Als wir mit dem Kanu auf der anderen Seite des Flusses anlegten mussten wir erneut eine Strecke durch den finsteren Regenwald zu fuß zurücklegen, bevor wir endlich am Grundstück der Familie Lucitante ankommen sollten.
Nun war der große Augenblick gekommen und ich lernte den Schamanen „Isidru Lucitante“ kennen, der hier im südamerikanischen Regenwald auch als Taita bezeichnet wird. Taita Lucitante ist ein äußerst angenehmer und sympathischer Mensch. In seiner Gegenwart verspürte ich sofort eine gewisse Kraft und Aura.
Nachdem ich mich mit der ganzen Familie bekannt gemacht hatte, gab es noch ein kleines Essen. Anschließend zeigte mir Alex mein Schlafgemach. Mir kam die Ehre zu teil, im ersten Stock eines kleinen Holzhauses im eigenen Räumchen zu übernachten. Einige Familienmitglieder hatten es nicht so gut und mussten sich ihre Hängematte im freien gemeinsam mit den Moskitos teilen. Am Ende eines perfekten Tages vielen mir schnell die Augen zu und ich erlebte meine erste Dschungelnacht mit magischen Träumen.
Und ja, warum war ich eigentlich hier im ecuadorianischen Niemandsland gelandet? Darüber hatten wir ja noch gar nicht ausführlich gesprochen. Der 27. März 2017 sollte mein ganz großer Tag werden. An diesem Datum wollte ich an einer schamanischen Ayahuasca Zeremonie teilnehmen. Bis zum Tag der Zeremonie war ich ein gleichwertiges Mitglied der Familie Lucitante und nahm ungewöhnlich gewöhnlich am Familienleben teil. Muchas Gracias a mi familia!!
Noch 3 Tage bis zur Zeremonie
Am nächsten morgen ging es schon früh morgens aus den Federn. Ohnehin passt man sich im Dschungel an die Gegebenheiten der Natur an. Man wird früh morgens von der aufgehenden Sonne und dem Erwachen des Waldes geweckt und schläft Abends zufrieden mit dem Eintreten der Dunkelheit ein. Man genügt sich mit den einfachen Dingen, die man hat und es mangelt im Grunde nach auch an nichts.
Heute lernte ich einige Jungs aus Bogotá kennen, die ebenfalls bei Familie Lucitante wohnten. Sie waren Künstler und hier vor Ort um die Maloka, in der die Zeremonie stattfinden würde, traditionell nach indigenen Vorstellungen zu gestalten. Am heutigen Tag unternahmen wir alle gemeinsam mit Taita Lucitante eine Kanutour. Wir waren den ganzen Tag auf dem Rio San Miguel und seinen Nebenarmen unterwegs. Das Gebiet der Cofan ist wunderschön und noch weitgehend natürlich. Das Kanu, auf dem wir unterwegs waren hatte zwar einen Motor. An vielen Stellen wurde die Fahrt aber so gefährlich, dass das Kanu nur manuell über den Fluss manövriert werden konnte. Wie von Zauberhand kannte der Taita alle Stellen, an den es brenzlich werden konnte.
Irgendwann legten wir mit dem Kanu am Ufer an und schlugen uns noch einige Kilometer mit Macheten einen Weg durch den dicht bewachsenen Regenwald. Und dann wurde uns auch klar, warum wir diese ganzen Strapazen auf uns nahmen. Wie aus dem nichts tauchte ein wundervoller Wasserfall mit türkis blauem Wasser auf, der hinter einer kleinen Höhle gelegen war. An dieses tolle Erlebnis musste ich am zweiten Tag meiner Dschungeltour noch lange nachdenken.
Die nächsten beiden Tage unterstützte ich Taita Lucitante und die Jungs aus Bogotá beim Bemalen der Maloka und dem Herrichten der Örtlichkeiten für den Tag der Zeremonie. Es sei erwähnt, dass man unter einer Maloka im südamerikanischen Regenwald eine recht einfache Holzhütte bezeichnet, in der die traditionellen Ayahuasca Zeremonien stattfinden.
Meine Zeit im Dschungel verging wie im Flug und ich fühlte mich geehrt beim Bemalen der Maloka mitwirken zu dürfen. Der Taita unternahm derweil eher die groben Tätigkeiten. Ich konnte beobachten, dass er nicht nur ein mächtiger Schamane, sondern gleichzeitig auch ein guter Handwerker war. Er fällte ein paar Bäume und schnitt hieraus Holzplanken zurecht, die als Abdeckung für eine Naturtoilette dienen sollten. Wofür diese Toilette nützlich werden könnte, dass sollte ich noch herausfinden. Die Mitglieder der Cofan Gemeinde machen ohnehin fasst alles selber, denn sie leben noch autark und selbstbestimmt und die nächste größere Stadt ist ein gutes Stück entfernt. Ein hartes, aber auch sehr freies Leben inmitten der Natur.
Ich unterstützte den Taita beim Fertigstellen der Naturtoilette. Von nun an sah ich ihn aber immer seltener und nur noch bei den gemeinsamen Essenszeiten. Ich bemerkte wie er sich alleine weiter in den Wald zurückzog, um hier die Ayahuasca Medizin zu brauen. Einmal konnte ich ihn in einiger Entfernung beobachten. Er befand sich in einer Art Trancezustand und widmete sich voller Inbrunst „Mutter Ayahuasca“.
In den Tagen bis zur Zeremonie kamen immer mehr Bekannte und Verwandte bei Familie Lucitante an. Ich war erstaunt, denn sie alle sollten an der Zeremonie teilnehmen. So viele Leute hatte ich nicht erwartet. Einer der Jungs aus Bogotá, der auch als Kameramann arbeitete und eine Dokumentation über Taita Lucitante und die Cofan Gemeinde drehte, sagte mir, dass es eine wirklich große Zeremonie werden würde. Das Fertigstellen der neuen Maloka sollte gebührend gefeiert werden. Quasi wie ein großes Familienfest, bei dem neben dem Taita Lucitante auch noch weitere Schamanen teilnehmen sollten. Langsam aber sicher breiteten sich in mir gemischte Gefühle aus. Ein Cocktail aus Vorfreude und Anspannung vor dem, was mich erwarten sollte.
Bist du gespannt wie es mit meiner Geschichte weiter geht? Im zweiten Teil der Trilogie berichte ich über den großen Tag der Ayahuasca Zeremonie und darüber, wie es mir hierbei ergangen ist!